Die Rücktrittspressekonferenz: Großaktionär Wolfgang Porsche (l), Interims-Aufsichtsratschef Berthold Huber und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Martin Winterkorn selbst war nicht dabei.
Winterkorn habe keine Kenntnis von der Manipulation der Abgaswerte gehabt, sagte Interims-Aufsichtsratschef Berthold Huber auf der Pressekonferenz. Das Präsidium des Aufsichtsrats habe Winterkorns Rücktrittsgesuch deshalb "mit großem Respekt" entgegengenommen.
Die Kollegen von der dpa haben gerade ihre Volkswagen-Ahnengalerie aktualisiert. Hier das Ergebnis.
Und auch wenn der 68-Jährige keine persönliche Schuld an den Manipulationen hat, so steht er als Konzernchef doch in der Gesamtverantwortung: Entweder wusste er von nichts und hat den Laden nicht im Griff. Oder er ließ die Ingenieure gewähren und war damit Teil des betrügerischen Systems. Beides ist ein zwingender Grund zu gehen. Das scheint Winterkorn aber bis jetzt nicht einzusehen. Er trete zurück, obwohl er sich keines Fehlverhaltens bewusst sei, erklärte er trotzig. So spricht einer, den man aus dem Amt drängen musste.
Über systemrelevante Banken wurde viel debattiert, Volkswagen ist systemrelevant für Deutschland. Auch deshalb muss ein personeller Neuanfang her. Dass Winterkorn im Vergleich zu manch anderem Topmanager so schnell die Konsequenzen zog oder ihnen zumindest nicht im Wege stand, ist weit über den Konzern hinaus die richtige und einzig mögliche Entscheidung.
Der aktuelle Skandal überdeckt ein wenig, dass der Wolfsburger Konzern nun vor einer Zeitenwende steht. Innerhalb weniger Monate gehen die beiden prägenden Figuren von Deck, die sich wohl selbst am meisten für unersetzbar gehalten haben: vor Martin Winterkorn bereits Ferdinand Piëch, der Patriarch. Es ist eigentlich unglaublich, in welcher Weise zwei Männer in eher fortgeschrittenem Alter die Abläufe in einem Riesenunternehmen auf sich zugeschnitten hatten.
Alles andere als ein Rücktritt von Martin Winterkorn wäre wohl nirgends in der Welt verstanden worden. Er trägt die Verantwortung für Unerhörtes.
Fest steht, dass Martin Winterkorn bis zuletzt um seine Macht gekämpft hat. In einer fast skurrilen Mischung aus demütiger Video-Botschaft und trotziger Unschuldsbehauptung versuchte Deutschlands bestdotierter DAX-Manager seinen Kopf retten. Zu Ende ist die Abgas-Affäre damit natürlich noch lange nicht. VW hat weltweit Image, Glaubwürdigkeit und Vertrauen verloren. Es wird viel Mühe kosten, diesen Verlust wieder auszugleichen.
Der beinahe manische Wille zur Größe ist dem Perfektionisten Winterkorn letztlich zum Verhängnis geworden. Ein Konzernlenker, der bei elf Millionen manipulierten Automobilen davon spricht, er sei „fassungslos“ über die Vorgänge in seinem Haus und sich keines „Fehlverhaltens“ bewusst, hat entweder sein Unternehmen nicht im Griff oder er lügt. Beides sind hinreichende Begründungen für einen Rücktritt, aber kein Grund zu Mitleid. Für Volkswagen gilt deshalb nun dasselbe wie für seine Modelle: Der Trend heißt kleiner, wendiger, lenkbarer. Die Tage des Welt-Superkonzerns sind gezählt.
Der zum Teil hysterische Ton, mit dem VWs Betrügerei kritisiert wurde, neigt zur Tugendprahlerei. Natürlich
sind die US-Abgaswerte ernst zu nehmen. Aber wer weiß, dass die top drei der bestverkauften Autos in den USA Sprit vernichtende Pick-ups sind, könnte ahnen, dass jedes Land mit Autoindustrie seine eigenen Produzenten hegt und pflegt. Martin Winterkorn war ein großartiger Autobauer, der es sich selbst nicht verzeihen wird, dass er seinen geliebten Konzern zum Abgang derart lädiert zurücklässt. Niemand wird das mehr schmerzen als ihn, den pflichtbewussten Schwaben. Ob er als einer der großen Wirtschaftslenker des Landes in die Geschichtsbücher eingehen darf, kann erst am Ende der Aufklärung entschieden werden.
Nach dem Führungsstreit im Frühjahr, den der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch mit den Worten "ich bin auf Distanz zu Winterkorn" auslöste und verlor, und der erst kürzlich verkündeten Absicht des Aufsichtsrats, Winterkorns 2016 endenden Vertrag um zwei Jahre zu verlängern, stehen die Verantwortlichen in Wolfsburg jetzt vor einem Totalschaden. Noch zu Wochenbeginn wurden Berichte, Winterkorn stünde vor dem Rücktritt, als "Schwachsinn" abgetan. Dass der Manager nun erklärt, er übernehme die Verantwortung, "obwohl ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin", ist ein Beleg dafür, wie stark Winterkorn gedrängt werden musste, den Weg für einen Neuanfang bei Volkswagen freizumachen.
Man kann die Sache auch positiv betrachten und sagen: Okay, „Das Auto“ ist etwas weniger sauber als VW beteuerte. Aber dass es zehn Jahre gedauert hat, ehe Prüfer dahinter kamen, dass hier manipuliert wurde, sagt auch einiges über die Solidität der geheimen deutschen Software.
Unter dem Druck der Konkurrenz und der Fuchtel der Rentabilitäts-Vorgaben nehmen die Verdrehungen der Wahrheit zu - im Umgang mit den Kunden und den Vorgesetzten. Natürlich sind wir aber nicht in einer potemkinschen Wirtschaft, wo alles nur Illusion ist. Das Interesse der Unternehmenschefs kann nicht sein zu erlauben, dass ihre Mitarbeiter Konten beschönigen, bei den Ergebnissen schummeln oder Probleme verheimlichen. Sonst werden absurde Risiken eingegangen, sonst wird blind geführt - oder es wird, wie beim Volkswagenchef, der Rücktritt in Schmach und Schande fällig.
Das Kraftfahrtbundesamt ist ein Bettvorleger der Automobil-Industrie
Verkehrsminister Dobrindt will nun auch die angeordneten Abgas-Nachprüfungen ausweiten. Es würden auch andere Marken als VW geprüft.
Die "Dobrindt-Baisse": Nach Dobrindts Worten ist der Dax erst mal mehr als 100 Punkte in die Tiefe gerutscht. Die VW-Aktien sind um mehr als zwei Prozent abgerutscht, liegen aber noch im Plus.