Das Ampel-Bündnis von SPD, Grünen und FDP erntet für seine künftigen Pläne Lob und Kritik von Wirtschaft und Ökonomen. "Insgesamt strahlt der Koalitionsvertrag eine wirtschaftspolitische Aufbruchstimmung unter Wahrung finanzpolitischer Solidität aus", sagte der frühere Wirtschaftsweise Lars Feld am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Insgesamt dürften die Projekte dank eines Maßnahmenpakets finanzierbar sein, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest.
"Genau wird man das aber erst beurteilen können, wenn die Vorhaben konkretisiert sind." DIW-Chef Marcel Fratzscher bezeichnete die Pläne unterm Strich als ausgewogen und ambitioniert. Neben dem Kapitel zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz sei vor allem die soziale Agenda überzeugend, die wirtschaftspolitische hingegen weniger, monierte Fratzscher. Die Ampel-Koalition wolle zwar eine schnelle digitale Transformation und eine Entbürokratisierung, die Maßnahmen seien jedoch zu wenig konkret oder nicht immer realistisch. "Der Schwerpunkt scheint zu sehr auf einer rückwärtsgewandten Wirtschaftspolitik zu liegen, den Hauptfokus auf die Industrie und Automobilbranche halte ich für ein schlechtes Signal."
In der Wirtschaft sorgt vor allem die geplante Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 9,60 auf zwölf Euro pro Stunde für Kritik. "Die politische Festlegung des Mindestlohns kommt einer Entmachtung der Mindestlohn-Kommission gleich", wetterte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth vom Handelsverband HDE. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA).
Viele Verbände erhoffen sich von der künftigen Regierung Impulse bei wichtigen Themen. "Eine völlig neue Regierungskonstellation hat die Chance, einen Ruck durch das träge gewordene Land gehen zu lassen", sagte Präsident Stefan Wolf vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Es gebe nun die Chance, den Reformstau der vergangenen Jahre aufzubrechen.
"Der Koalitionsvertrag ist von konstruktivem Zukunftsgeist geprägt, birgt aber für die unternehmerische Praxis noch etliche Unsicherheiten", sagte Peter Adrian, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Ein guter Ansatz sei der feste politische Wille, Genehmigungs- und Planungsverfahren drastisch zu beschleunigen. "Auch das klare Bekenntnis zu konsequenter Digitalisierung, Innovation und technischem Ideenreichtum lässt hoffen." Doch der DIHK-Chef betonte auch: "Zu den kritischen Punkten gehört vor allem die unklare Finanzierungsfrage vieler Vorhaben."