In der Debatte um die Erneuerung der CDU wird auch immer wieder die Möglichkeit eines bloßen Übergangs-Parteichefs ins Spiel gebracht. NRW-Landesgruppenchef Günter Krings warnte jetzt vor einem solchen Schritt. Diese Diskussion erscheine ihm gefährlich abstrakt, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
„Klar ist, dass fast vier Jahre vor der nächsten Bundestagswahl ein neuer Vorsitzender nicht automatisch Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erheben kann. Aber wir sollten auch niemanden wählen, dem wir dieses Amt nicht zutrauen.“
Ein CDU-Vorsitzender müsse immer auch kanzlertauglich sein, sagte Krings. „So viel Selbstbewusstsein sollten wir auch aktuell noch haben.“
CDU-Chef Armin Laschet ist am Montagmorgen noch vor dem offiziellen Beginn der Sitzungen der Spitzengremien seiner Partei mit Mitgliedern des engsten CDU-Führungszirkels zusammengekommen. An den Beratungen nahmen neben dem Unionskanzlerkandidaten unter anderen Generalsekret��r Paul Ziemiak und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier teil. Mehrere Mitglieder der Runde fuhren durch die Tiefgarage in die Parteizentrale. Es war Stillschweigen vereinbart worden – beim Eintreffen äußerte sich zunächst niemand.
Laschet wollte der Parteispitze – von 9.00 Uhr an dem Präsidium, von 11.00 Uhr an dem größeren Vorstand – seine Pläne zur personellen und inhaltlichen Erneuerung nach dem Desaster bei der Bundestagswahl präsentieren. Er hatte am Donnerstag angekündigt, er wolle den Erneuerungsprozess moderieren und den Gremien zur Neuaufstellung einen Parteitag vorschlagen. Eigene Ambitionen bei der Neuaufstellung und auch für mögliche weitere Verhandlungen mit Grünen und FDP über ein Jamaika-Bündnis stellte er zurück.
„Da hilft uns die Äußerung von Friedrich Merz relativ wenig.“
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat beim Schleswig-Holstein-Tag der Jungen Union den Mangel an Zusammenhalt im Wahlkampf beklagt. Natürlich sei Armin Laschet kein Grund gewesen, weshalb die Menschen im Wahlkampf zur CDU gekommen seien, sagte Günther am Samstag in Meldorf. Es sei so ziemlich alles im Wahlkampf schief gelaufen, was schief laufen konnte. Doch Laschet sei nicht allein für das Wahlergebnis verantwortlich, nicht alle hätten an einem Strang gezogen. Der Kanzlerkandidat sei im Regen stehen gelassen worden.
Eine Beteiligung der Basis bei der Suche nach einem neuen CDU-Vorsitzenden sieht der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein kritisch. Er zog einen Vergleich zur Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als SPD-Vorsitzende. Die Basisbeteiligung habe der SPD nicht geholfen. Der Wunsch einer Beteiligung in der CDU komme eher daher, dass die Basis die Entscheidungen der Parteispitze in der Vergangenheit nicht habe nachvollziehen können.
Einen Seitenhieb gab es für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Parteichef Markus Söder: Andere in ein schlechtes Licht zu stellen, um selbst besser zu glänzen – das habe man in seiner Zeit als Politikwissenschaftler „södern“ genannt, so Günther.
Die Grüne Jugend erteilt einer Jamaika-Koalition mit CDU/CSU und FDP eine Absage. Die Union stehe für eine „zukunftsfeindliche Politik“, heißt es im Dringlichkeitsantrag des Vorstands, den der Bundeskongress der Grünen-Nachwuchsorganisation in Erfurt am Samstag verabschiedete. „Für uns kommt eine Jamaika-Koalition nicht in Frage.“ Die Grünen führen derzeit Gespräche mit SPD und FDP über die mögliche Bildung eines sogenannten Ampel-Bündnisses.
Es gebe nun Mehrheiten für eine Regierung ohne die Union, betonte der scheidende Bundessprecher der Grünen Jugend, Georg Kurz. Dennoch werde es weiter „jede Menge Druck“ brauchen. „Für Minimalkompromisse, bisschen Korrekturen am Status quo da, ein bisschen Klimaschutzziel hier - dafür braucht’s uns nicht. Dafür wurden wir nicht gewählt und dafür fehlt uns auch die Zeit.“ Wenn die Grünen sich an der nächsten Bundesregierung beteiligten, dann gehe das nur, „wenn das Klima zu 100 Prozent geschützt wird, das Pariser Klimaschutzabkommen die Basis allen Handelns in allen Sektoren ist“ und es dafür Sofortmaßnahmen gebe.
CSU-Chef Markus Söder führt das schlechte Ergebnis der Union bei der Bundestagswahl auf den unpopulären Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) und eine schwache Wahlkampfstrategie zurück. „Es ist einfach so: Am Ende wollten die Deutschen einen anderen Kanzlerkandidaten als den, den CDU und CSU aufgestellt haben“, sagte Söder am Samstag bei der Landesversammlung der Jungen Union in Deggendorf. „Genauso wie es eine Rolle gespielt hat, dass wir von Anfang an nicht ganz sicher waren, welche Strategie wir inhaltlich eigentlich fahren.“
Die CSU habe sich „inhaltliche Akzente der Erneuerung“ erhofft. Als ein Beispiel nannte Söder die Forderung nach Steuerentlastungen für Mittelschicht, Unternehmensgründer und Leistungsträger. „Nur der Hinweis darauf, es ändert sich nichts, ist keine Motivation, keine Stimulation.“
Ohne die CDU beim Namen zu nennen, forderte Söder die Schwesterpartei auf, sich in Berlin nicht bei FDP und Grünen anzubiedern, um in der Regierung bleiben zu können. „Die Ampel ist am Zug“, sagte der CSU-Chef. Nur vor der Tür zu sitzen und darauf zu warten, dass man bei irgendeiner hakenden Verhandlung mit der Ampel dann mal zufällig reingeholt wird, sei schwierig. „Wir sind nicht nur der dauerhafte Ersatzkandidat.“
Söder nannte die Wahlniederlage eine Zäsur für CDU und CSU. „Die Union hat überall verloren, und zwar breit und tief. (...) Wir sind bei den Jungwählern nur noch auf Platz vier.“ Auch die CSU habe ein schlechtes Ergebnis eingefahren, „ein sehr schlechtes“. „Es war auch so, dass unser eigenes Personal nicht so zog, wie wir es erwartet haben.“
Bei Steuern, Schulden und der Finanzierung von Klimaschutz-Maßnahmen rechnen die Grünen in den Sondierungsgesprächen für eine „Ampel“-Koalition mit den größten Konflikten. Auf die Frage, was wohl das schwierigste Thema der nächsten Wochen sein werde, antwortete der Grünen-Ko-Vorsitzende Robert Habeck im Deutschlandfunk: „Also, es gibt erkennbare Differenzen zwischen uns und vielleicht auch der SPD und der FDP beim Thema Finanzen. Und Finanzen heißt nicht nur Haushalt, sondern auch die investiven Möglichkeiten für den Klimaschutz bereit zu stellen."
Es sei ja nun nicht so, dass nun die Grünen sagten „Wir müssen mehr für den Klimaschutz tun“, das habe schon die Große Koalition festgelegt, sagte Habeck.
Deutschland sollte sich nach Ansicht von Habeck auf EU-Ebene für eine Lockerung der Vorgaben für die Rückzahlung von Schulden einsetzen. Die Coronakrise habe die europäischen Länder in die Verschuldung getrieben. Er warnte: „Wenn man sie zwingt, diese Schulden, wie im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehen, über eine sehr strenge Schuldenregel zurückzuzahlen, dann wird es südeuropäischen Ländern nur mit massiven Kürzungen im Sozialbudget gelingen und dann regiert da am Ende der Faschismus.“
Die Verhandlungen über eine Ampel-Koalition könnten am Ende auch eine veränderte Sitzordnung im Bundestag nach sich ziehen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus Parlamentskreisen will die FDP ihren Platz zwischen AfD und Union loswerden und mit CDU/CSU tauschen.
Die Union lehnt dies aber entschieden ab. „Die jetzige Sitzordnung ist die traditionelle und sie hat sich bewährt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer zu Reuters. „Diese sollte beibehalten werden.“ Danach sitzt die AfD an dem von der Regierungsbank aus gesehenen rechten Rand, dann folgen FDP, Union, Grüne, SPD und Linke.
Die FDP hatte schon 2017 einen Versuch gestartet, nicht neben der AfD sitzen zu müssen, war damit aber gescheitert. Der Beginn der Ampel-Sondierungen lässt die Liberalen nun jedoch hoffen, dass sich ihr Wunsch mit anderen Mehrheiten im Parlament erfüllen lässt. Zugleich wird in der Fraktion betont, dass dies derzeit sicher eine nachrangige Frage sei.
„Der Wunsch der FDP ist bei uns bereits angekommen“, wird in der SPD-Fraktion aber bestätigt. Man sei noch nicht in die Meinungsbildung eingestiegen. Die Grünen wollen sich dazu nicht äußern.
Brandenburgs CDU-Landesvorsitzender Michael Stübgen fordert eine umfassende Aufarbeitung der Wahlschlappe der Union. Das von Parteichef Armin Laschet angekündigte Konzept zur personellen Neuaufstellung der CDU will er zunächst abwarten. „Ein Konzept kann man erst bewerten, wenn es vorliegt“, sagte Stübgen der Deutschen Presse-Agentur in Potsdam.
„Personelle Konsequenzen werden bei der Neuausrichtung der Bundespartei nicht ausbleiben, sind aber kein Allheilmittel an sich“, sagte Stübgen. „Die Wähler haben uns ein klares Signal gegeben, da müssen wir uns jetzt grundlegend hinterfragen.“
Nach der Ankündigung von CDU-Chef Armin Laschet zur Neuaufstellung der CDU hat CSU-Chef Markus Söder weiterhin eine enge und konstruktive Zusammenarbeit in der Union angekündigt. „Wir nehmen die Entscheidung von Armin Laschet mit großem Respekt zur Kenntnis. Wir werden als CSU weiterhin eng und konstruktiv mit der CDU zusammenarbeiten“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in München.
Mit Blick auf die laufenden Gespräche zu einer Regierungsbildung von SPD, FDP und Grünen betonte Söder zudem: „Sollten die Sondierungen bei der Ampel scheitern, stehen wir selbstverständlich für weitere Gespräche für Jamaika zur Verfügung.“
Der designierte nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat Kritik am Umgang der Union mit CDU-Chef Armin Laschet geübt. Der 46-jährige Politiker sagte am Freitag in Düsseldorf mit Blick auf die Behandlung Laschets in den eigenen Reihen nach der Niederlage bei der Bundestagswahl, gute Politik lebe nicht nur von richtigen Entscheidungen, sondern auch von einem richtigen Umgang miteinander.
„Jeder, der da in den letzten Woche agiert hat, sollte sich prüfen, ob er diesem Maßstab gerecht wird. Ich habe da an der einen oder anderen Stelle durchaus Zweifel“, sagte Wüst. Christlich Demokratische Union müsse sich auch im Umgang zeigen. „Da gibt es sicher Luft nach oben“.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet hatte Wüst, der zurzeit noch Verkehrsminister im bevölkerungsreichsten Bundesland ist, erst vor wenigen Tagen als seinen Nachfolger an der Spitze der Landesregierung und der Landes-CDU vorgeschlagen.
„Wenn nach den Sondierungen konkret über die Inhalte der Ampel verhandelt wird, müssen die Jusos mit am Tisch sitzen.“
Friedrich Merz hat nach eigenen Angaben noch nicht entschieden, ob er noch einmal für den CDU-Parteivorsitz kandidiert. Eine abermalige Kandidatur bei einer Kampfabstimmung auf einem Bundesparteitag schloss der ehemalige Unionsfraktionschef am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ aber aus. Der frühere Unionsfraktionsvorsitzende hatte zuletzt zweimal auf CDU-Bundesparteitagen für den Parteivorsitz kandidiert und war zweimal unterlegen – zunächst 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, dann Anfang dieses Jahres gegen Armin Laschet.
Laschet will den Spitzengremien der Partei nach der historischen Wahlniederlage einen Parteitag zur personellen Neuaufstellung der CDU vorschlagen. Wie Merz und andere Politiker auf diese Ankündigung reagiert haben, lesen Sie hier:
Von den derzeit diskutierten Nachfolgern von Armin Laschet als CDU-Chef stößt einer Umfrage zufolge der Außenpolitiker Norbert Röttgen in der Bevölkerung auf die größte Zustimmung. 32 Prozent der Befragten sagten laut einem Bericht der Funke Mediengruppe in der Umfrage des Instituts Kantar, sie hielten Röttgen für dieses Amt am ehesten für geeignet. Unter den CDU/CSU-Anhängern liegt allerdings der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz demnach vorn.
Merz liegt unter den Befragten insgesamt mit 31 Prozent Zustimmung knapp hinter Röttgen auf Platz zwei. Auf dem dritten Platz folgt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer mit 30 Prozent Zustimmung knapp vor Gesundheitsminister Jens Spahn mit demselben Wert, aber einer höheren Zahl von Negativ-Voten. Danach folgen Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther mit 17 Prozent und die stellvertretende Parteichefin Silvia Breher mit zehn Prozent Zustimmung. Bei allen genannten Politikerinnen und Politikern sind die Ablehnungswerte höher als die Positivwerte.
Unter den Anhängern von CDU und CSU halten dagegen 49 Prozent Merz für den CDU-Vorsitz für geeignet. Er liegt damit hier knapp vor Röttgen, der auf 46 Prozent Zustimmung kommt. Spahn erreicht einen Zustimmungswert von 41 Prozent. Kretschmer mit 34 Prozent Zustimmung, Günther mit 23 Prozent und Breher mit zwölf Prozent folgen deutlich dahinter.
Kantar befragte am 5. und 6. Oktober 1012 repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger. Nach weiteren möglichen Bewerberinnen oder Bewerbern wurde nicht gefragt.