Es war nur eine kleine Geste, aber mit großer Wirkung. Als sich die deutsche und die englische Fußball-Nationalmannschaft kurz vor dem Anpfiff ihres EM-Achtelfinals auf den "heiligen" Rasen von Wembley knieten, gab es ein paar Pfiffe und Buhrufe - doch die wenigen Ewiggestrigen wurden vom überwältigenden Rest der 45.000 Fans sofort mit Applaus zum Schweigen gebracht.
Der Kniefall war ein historisches Zeichen für Vielfalt - und gegen Rassismus. "Wir stehen für Toleranz und gegen jegliche Art von Diskriminierung und wollen uns solidarisch zeigen mit der Nationalmannschaft von England", sagte Torhüter Neuer über den ersten Kniefall der DFB-Auswahl überhaupt: "Wir ziehen da gerne mit und mussten nicht lange darüber nachdenken."
Neuer diente zudem Kane mit seiner Regenbogenbinde als Inspiration: Auch der Engländer zog sich den bunten Stoff über den
Oberarm. "Das ist ein starkes Zeichen", sagte Neuer. Die Botschaft: Bei aller Rivalität gibt es gemeinsame Werte, die eine enorme Bedeutung für die Gesellschaft haben.
Es sei aber wichtig, dass es "dann nicht bei reiner Symbolik bleibt", sagte Antonio Rüdiger im Spiegel-Interview, "sondern sich alle Beteiligten auch im Alltag an diese Werte halten und sie vermitteln."
Der Kniefall hat seinen Ursprung in der Football-Liga NFL. Dort protestierte der schwarze Quarterback Colin Kaepernick Ende 2016 beim Abspielen der amerikanischen Nationalhymne auf diese Art. Er wollte aufmerksam machen auf die Diskriminierung Schwarzer, auf Polizeigewalt und Rassismus.
Kaepernick steckte viel Kritik ein, nicht nur der damalige US-Präsident Donald Trump beschimpfte ihn. Der Quarterback aber blieb hartnäckig und trug die Konsequenzen. Nachdem sein Vertrag bei den San Francisco 49ers aus allerdings rein sportlichen Gründen nicht verlängert wurde, ist er bis heute ohne Vertrag. Sein Kniefall aber ging um die Welt, er inspirierte Tausende Nachahmer in unterschiedlichsten Sportarten.
Englands Fußball-Nationalmannschaft geht schon seit Wochen vor Spielbeginn auf die Knie. Anfangs gab es für die Three Lions viele
Pfiffe, mittlerweile erfahren sie meist Zuspruch von ihren Fans. Beim Weltmeister von 1966 und den Klubs der Premier League ist die Geste inzwischen obligatorisch. Gerald Asamoah begrüßte die
Aktion. "Wenn Kinder im TV den Kniefall der Spieler sehen und dann ihren Vater fragen: "Papa, was machen die da?" Und der Vater es dann erklärt, dann gibt man dem Kind etwas mit", sagte der Ex-Nationalspieler bei t-online. (SID)