Im Moment hat sich vor den Toren des Flughafens die Situation noch einmal etwas verändert. Es gibt wohl durchaus auch Gefahrensituationen.
Ich scheue mich vor keiner politischen Diskussion, schon gar nicht im Wahljahr. In diesem Moment steht aber die Rettung der Menschen im Vordergrund.
In Frankfurt ist am frühen Mittwochmorgen eine Lufthansa-Maschine mit rund 130 Menschen aus Kabul gelandet. Der Airbus 340 kam aus Taschkent. Am Dienstag hatte ein Transportflugzeug der Bundeswehr ihre Luftbrücke zur Rettung von Deutschen und Afghanen begonnen und die Menschen in die usbekische Hauptstadt geflogen.
Die Bundesregierung hatte den Langstreckenjet gechartert. Die Lufthansa wird in Absprache mit der Bundesregierung auch Evakuierungsflüge aus Doha in Katar und möglicherweise auch aus anderen Anrainerstaaten Afghanistans anbieten, wie ein Sprecher am Dienstag sagte. Für die nächsten Tage sei eine noch unbekannte Zahl von Flügen geplant.
US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Boris Johnson wollen nächste Woche einen virtuellen G7-Gipfel zur Lage in Afghanistan einberufen. „Sie kamen überein, nächste Woche ein virtuelles Treffen der G7-Staats- und Regierungschefs abzuhalten, um eine gemeinsame Strategie und Vorgehensweise zu erörtern“, teilte das Weiße Haus in Washington am Dienstag nach einem Telefonat der beiden Politiker mit.
Biden und Johnson hätten „die Notwendigkeit einer fortgesetzten engen Abstimmung zwischen den Verbündeten und demokratischen Partnern in der künftigen Afghanistan-Politik“ besprochen, teilte das Weiße Haus weiter mit. Dies umfasse auch zusätzliche humanitäre Hilfe und Unterstützung für Flüchtlinge und andere gefährdete Afghanen. Es war das erste Telefonat, das Biden seit der Machtübernahme der Taliban mit einem ausländischen Staats- oder Regierungschef führte.
Österreichs Regierung sieht die Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban nicht als Grund dafür, weitere Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. „Illegale Migration, die durch ein Dutzend sichere Länder verläuft, und wo sich Migranten ein Zielland einfach aussuchen, muss gestoppt werden“, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) der Zeitung Welt vor Beratungen der EU-Innenminister am Mittwoch. „Es gibt keinen Grund warum ein Afghane jetzt nach Österreich kommen sollte.“ Gefragt seien vielmehr die Nachbarländer Afghanistans, um Schutz und Hilfe in der Region sicherzustellen.
Nehammer verwies darauf, dass Österreich in den vergangenen fünf Jahren mehr als 130.000 Menschen Schutz gewährt habe und damit an dritter Stelle der EU-Mitgliedsländer liege. „Alleine knapp 35.000 Menschen davon kamen seither aus Afghanistan - der Großteil davon sind junge Männer, die oftmals mit geringem Bildungsniveau oder als Analphabeten eine große Herausforderung für das Integrations- und Sozialsystem darstellen“, sagte der konservative Politiker. „Alleine das zeigt klar und deutlich, dass die Diskussion über zusätzliche Aufnahme für Österreich kein großes Thema sein kann.“'
Seinen EU-Kollegen werde er die Einrichtung von Abschiebezentren in der Region rund um Afghanistan vorschlagen, um so die Grenzen der europäischen Menschenrechtskonvention zu umgehen. „Das muss aufgrund vieler straffälliger Asylbewerber - insbesondere aus Afghanistan - im Interesse der EU-Staaten sein und entspricht dem Grundgedanken der Genfer Flüchtlingskonvention, die auch Flüchtlinge verpflichtet, sich an die Gesetze des Gastlandes zu halten und dabei auch kein Verbot einer Ausweisung vorsieht.“
Chaos am Flughafen in Kabul hat die Evakuierung niederländischer Ortskräfte verhindert. „Es ist schrecklich. Viele standen mit ihren Familien vor den Toren des Flughafens“, sagt Außenministerin Sigrid Kaag der Nachrichtenagentur ANP. Ein mit anderen nordeuropäischen Ländern betriebenes Militärflugzeug habe Kabul jedoch am Dienstagabend ohne Personen verlassen müssen, die für die Niederlande bestimmt waren. „Ich hoffe, dass sich die Situation am Mittwoch verbessert“, sagt Kaag. „Wir versuchen, die Situation in den Griff zu bekommen und sicherzustellen, dass wir alle, die wir evakuieren möchten, herausholen.“ Die Niederlande wollen bis zu 1000 örtliche Botschaftsangestellte, Übersetzer und ihre Familien außer Landes bringen.
Nach der faktischen Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban harren in Afghanistans Hauptstadt Kabul weiterhin Hunderte Menschen rund um den Flughafen aus. Das berichteten Augenzeugen am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Kinder, Frauen und Männer hielten sich in den Straßen um das Flughafengelände auf. Viele hätten dort auch übernachtet.
Viele Afghanen versuchen aktuell, das Land zu verlassen. Allerdings ist der Flughafen nur eingeschränkt in Betrieb. Derzeit bemühen sich zahlreiche westliche Länder, ihre Staatsbürger und Ortskräfte, die Angst vor Racheaktionen der Taliban haben, aus Afghanistan in Sicherheit zu bringen. Unklar war, ob es neben Evakuierungsflügen am Mittwoch auch wieder kommerzielle Flüge gab oder geben sollte.
In der Stadt kursieren fälschlicherweise Gerüchte, wonach alle, die es auf den Flughafen schaffen, auch ausgeflogen werden. Deshalb fahren viele Menschen dorthin. Sie versuchen über Sprengschutzmauern oder anderen Wegen, auf das Gelände zu kommen. Am Mittwoch hieß es, das amerikanische Militär entscheide abhängig von der jeweiligen Lage über Öffnung und Schließung bestimmter Zugänge zum Flughafen.