„Die Kunst guter Außenpolitik besteht gerade darin, mit solchen Staaten zu Lösungen zu kommen, deren Ziele und Menschenbild unsere Gesellschaft zu Recht ablehnt.“
„Der Außenminister ist für diesen Vorhalt die falsche Adresse. Aber ich will nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Jetzt müssen alle ihre Arbeit tun und unsere Soldatinnen und Soldaten bei ihrer schwierigen Evakuierungsmission unterstützen.“
Die Lage am Flughafen Kabul ist aber äußerst unübersichtlich. Es kommt an den Gates immer wieder zu gefährlichen Situationen und bewaffneten Auseinandersetzungen. Der Zugang zum Flughafen ist derzeit möglich. Zwischendurch kann es aber immer wieder kurzfristig zu Sperrungen der Tore kommen, auch weil so viele Menschen mit ihren Familien versuchen, auf das Gelände zukommen. Wir können Sie leider nicht vorab informieren, wann die Tore geöffnet sein werden.
Die Taliban suchen nach Schlüsselpersonen, die zum Flughafen gelangen wollen und haben Checkpoints an allen Hauptstraßen errichtet und um die wichtigen Städte herum, auch in Kabul und Dschalalabad, einschließlich der Autobahnen
Aufgrund von politischen Entscheidungen, die bürokratisch und fein säuberlich umgesetzt werden mussten, haben wir 80 Prozent der Ortskräfte in Afghanistan zurückgelassen
Je klarer wir sagen, was schief gelaufen ist, desto glaubwürdiger sind wir
Der amerikanische Präsident Joe Biden und die Bundesregierung machen fehlenden Kampfwillen der afghanischen Armee für den Erfolg der Taliban verantwortlich. Im Interview mit dem Onlineformat STRG_F, das der NDR für funk produziert, widerspricht der ehemalige Kommandeur der amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan, David Petraeus.
„Sie hatten plötzlich keine Rückendeckung mehr“, sagt Petraeus mit Blick auf die afghanische Armee. „Unsere Luftwaffe war weg“. Das Interview soll am Freitag um 17.00 Uhr dem Youtube-Kanal des NDR-Formats erscheinen.
Er habe als Kommandeur in Afghanistan selbst erlebt, in welch riesiger Anzahl afghanische Soldaten kämpften und starben. Nach dem Abzug der amerikanischen Luftwaffe sei aber die wichtige Rückendeckung aus der Luft weggefallen. Petraeus sagt:
Wie kann man von Streitkräften erwarten, dass sie kämpfen, wenn sie wissen, dass keiner mehr zur Unterstützung kommt?
Der US-General widerspricht damit der Darstellung Bidens, der die Schuld für den schnellen Erfolg der Taliban auf die afghanische Armee geschoben hatte. „Amerikanische Truppen können und sollten nicht in einem Krieg kämpfen und sterben, den die afghanischen Streitkräfte selbst nicht zu kämpfen gewillt sind“, hatte der amerikanische Präsident diese Woche gesagt.
Auch die Bundesregierung hatte sich dieser Darstellung angeschlossen. Man habe die „Durchhaltefähigkeit und den Durchhaltewillen der der afghanischen Armee falsch eingeschätzt“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die afghanischen Streitkräfte seien nicht bereit gewesen „sich den Taliban entgegenzustellen“, so Bundesaußenminister Heiko Maas.
Petraeus sagt im Interview, er finde die Aussage von Biden bedauerlich:
Die Fakten sind, dass 27 Mal so viele afghanische Sicherheitskräfte im Kampf für ihr Land gestorben sind als US-Amerikaner.
Tatsächlich starben nach Angaben der Brown University 2442 US-Amerikaner und mindestens 66000 afghanische Sicherheitskräfte in dem 20-jährigen Krieg.
Petraeus war von Juni 2010 bis Juli 2011 Kommandeur der US- und Nato-Streitkräfte in Afghanistan, bevor er CIA-Chef wurde. Im Interview kritisiert er die politischen Entscheidungsträger für den chaotischen US-Abzug:
Die Situation, in der sich die afghanischen Streitkräfte als Resultat unserer politischen Entscheidung befanden, war eine ausweglose.
Er selbst und führende Militärs hätten vorgeschlagen, eine geringe Streitkraft mit Drohnen- und Luftunterstützung im Land zu lassen. „Ich glaube, das hätte die jetzige Situation verhindert.“
Petraeus hatte sich in seiner Zeit als Kommandeur dafür eingesetzt, Terrorismusbekämpfung mit dem Aufbau eines funktionierenden Staates zu verbinden. Präsident Joe Biden sagte dagegen diese Woche, es habe bei dem Einsatz nie um den Aufbau eines Staates gehen sollen, sondern rein um Terrorismusbekämpfung.
Biden verbuchte den Afghanistaneinsatz demnach als Erfolg: „Unsere Mission, die Terror-Gefahr von al Quaida zu reduzieren und Osama bin Laden zu töten, war ein Erfolg.“ General Petraeus sagte dazu gegenüber STRG_F: „Ich weiß nicht, wie die Machtübernahme der Taliban als positive Entwicklung für die nationale Sicherheit der USA gedeutet werden kann.“