Das russische Verteidigungsministerium hat Vorwürfe kategorisch zurückgewiesen, die russischen Truppen würden bei der Militäroperation in der Ukraine auch zivile Ziele beschießen. Das Ministerium in Moskau behauptete am Samstag, Wohnviertel würden von ukrainischer Seite beschossen, um die Zerstörungen den russischen Streitkräften anzulasten. „Ich betone noch einmal, dass die russischen Streitkräfte keinerlei Schläge auf Wohnviertel ukrainischer Städte vollziehen“, sagte Generalmajor Igor Konaschenkow. Es handele sich um Provokationen von ukrainischer Seite, wie sie auch von Terroristen verwendet würden.
„Wir wenden uns an die Bewohner der Ukraine: Rufen Sie den verbrecherischen Kiewer Machtapparat auf, umgehend schwere Waffen von ihren Häusern und Wohnvierteln der Städte zu entfernen“, sagte Konaschenkow. Die Führung der Ukraine habe wiederholt versprochen, die Menschen nicht durch diese Artillerie zu gefährden.
„Das Kiewer nationalistische Regime teilt an die Menschen in bewohnten Gebieten massenhaft und unkontrolliert automatische Schusswaffen, Granatwerfer und Munition aus“, sagte Konaschenkow. „Dass die Nationalisten die friedliche Bevölkerung der Ukraine in diese Kampfhandlungen hereinziehen, führt unausweichlich zu Unglücken und Opfern.“
Die russischen Streitkräfte würden ihre Offensive im Donbass in der Ostukraine fortsetzen. Ziel ist es demnach, die Gebiete von Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine komplett einzunehmen. Einen kleinen Teil des Konfliktgebiets hatte der russische Präsident Wladimir Putin zuvor als unabhängige Staaten anerkannt. Die sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk erheben Anspruch auf Gebiete auch in den lange von ukrainischen Regierungskräften kontrollierten Teilen.
Konaschenkow sagte, dass die Operation am Freitag nach einem Verhandlungsangebot der Ukraine unterbrochen worden sei. Moskau und Kiew kamen dabei nicht zusammen. Am Samstag seien die Truppen wieder in Bewegung gesetzt worden.
In der Diskussion über schärfere Sanktionen gegen Russland zeichnet sich nach Angaben von Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte eine Einigung ab. „Nach dem, was ich vorsichtig höre, scheint es keine starken Einwände mehr zu geben“, sagte sie am Samstag in Vilnius über einen sofortigen Ausschluss Russlands aus dem Banken-Kommunikationssystem Swift. Der Schritt wird in der EU als Konsequenz aus dem Krieg gegen die Ukraine diskutiert. „Wir wollen, dass die Entscheidung so schnell wie möglich getroffen wird, aber ich kann kein bestimmtes Datum nennen“, sagte Simonyte der Agentur BNS zufolge.
Litauen forderte bereits unmittelbar nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine den sofortigen Ausschluss Russlands aus Swift, der als schärfstes Sanktionsschwert gilt. Damit würden russische Banken praktisch vom globalen Finanzsystem abgeschnitten. Dies wurde zunächst von mehreren europäischen Staaten – darunter Deutschland – abgelehnt. In der litauischen Hauptstadt Vilnius kam es deshalb am Samstag zu Protesten vor der deutschen Botschaft.
Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda kam wegen der Forderung auch gemeinsam mit dem polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki zu einem kurzfristig angekündigten Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin zusammen. Nauseda besuchte dort zudem eine Solidaritätskundgebung für die Ukraine vor der russischen Botschaft.
Die Unionsfraktion im Bundestag hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, einem sofortigen Ausschluss Russlands aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift zuzustimmen. „Swift sollte und muss nach unserer festen Überzeugung einbezogen werden in die Sanktionen, die jetzt gegen Russland verhängt werden“, sagte Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) am Samstagabend in Berlin vor einer hybriden Sitzung der Abgeordneten von CDU und CSU. Er begründete dies mit einer „völlig hemmungslose Einbeziehung der Zivilbevölkerung“ beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Trotz einer Suspendierung Russlands von Swift werde es immer noch möglich bleiben, Rechnungen etwa für Energielieferungen aus Russland zu zahlen, sagte der CDU-Vorsitzende.
Die EU und die USA könnten sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur noch an diesem Wochenende auf einen Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift verständigen. Angaben von Spitzenbeamten zufolge sollte es am Samstagabend eine Videokonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Italiens Regierungschef Mario Draghi geben. Ziel sei eine Verständigung auf weitere Sanktionen, hieß es.
Den Angaben zufolge könnten dabei zudem auch noch andere Strafmaßnahmen vereinbart werden. So ist im Gespräch, die Auslandsvermögen russischer Oligarchen einzufrieren. Zudem sollen weitere russische Banken und insbesondere die russische Zentralbank ins Visier genommen werden. Damit könnte unter anderem verhindert werden, dass Russland seine Devisenreserven zur Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine nutzen kann.
Die US-Regierung stellt Kiew bis zu 350 Millionen US-Dollar (312 Millionen Euro) zur „sofortigen Unterstützung der Verteidigung der Ukraine“ zur Verfügung. Die militärische Unterstützung werde helfen, sich gegen die Bedrohungen durch Panzer und aus der Luft zu wehren, erklärte US-Außenminister Antony Blinken am Samstag. „Das ist ein weiteres Signal, dass die Vereinigten Staaten zu den Menschen in der Ukraine stehen, während sie ihr souveränes, mutiges und stolzes Land verteidigen“, erklärte Blinken.
Mit der neuen Tranche summierten sich die Militärhilfen für die Ukraine seit dem vergangenem Jahr auf eine Milliarde US-Dollar, hieß es weiter. US-Präsident Joe Biden hatte die Auszahlung der neuen Militärhilfen in der Nacht zum Samstag angeordnet. Die USA haben der Ukraine bereits viele Waffensystem und auch Munition geliefert.
Ein ranghoher Vertreter des US-Verteidigungsministeriums erklärte am Samstag, die neue Lieferung werde auch Panzerabwehrlenkwaffen vom Typ Javelin umfassen. Obwohl der ukrainische Luftraum nun umkämpft sei, könne das US-Militär die Ukrainer weiter mit Lieferungen unterstützen, sagte der Beamte einer Mitschrift des Pentagons zufolge. Er machte keine Angaben dazu, wie die Waffenlieferungen die ukrainischen Streitkräfte derzeit erreichen können.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine „Genozid“ vorgeworfen. Der UN-Sicherheitsrat müsse Russlands Handlungen als „Genozid“ einstufen, schrieb das Staatsoberhaupt am Samstagabend bei Twitter. Zudem sollte Russland das Stimmrecht im UN-Sicherheitsrat entzogen werden. Zuvor hatte Selenskyj mit UN-Generalsekretär António Guterres gesprochen.
Selenskyj schwor zudem seine Landsleute auf möglicherweise lange Kämpfe gegen russische Truppen ein. „Wir werden so lange kämpfen, wie es dauert, um das Land zu befreien.“ Selbst wenn in Notunterkünften Kinder geboren und der Beschuss fortgesetzt würden, „hat der Feind in diesem Volkskrieg keine einzige Chance“.
Youtube hat nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und dem damit verbundenen Propagandakrieg mehrere russische Staatsmedien auf der Videoplattform spürbar eingeschränkt. „Wir pausieren die Monetarisierung einer Reihe von Kanälen auf YouTube, einschließlich mehrerer russischer Kanäle, die mit den jüngsten Sanktionen in Verbindung stehen“, erklärte ein Sprecher des Dienstes am Samstag.
Die Einschränkungen betreffen vor allem das russische Auslandsfernsehprogramm RT, das bis 2009 „Russia Today“ hieß und im Westen als Propagandakanal der russischen Regierung eingeordnet wird. RT wird unter anderem gezielte Desinformation wie die Verbreitung von Verschwörungstheorien sowie die Rechtfertigung des Angriffskrieges gegen die Ukraine vorgeworfen.
Youtube werde die Empfehlungen für diese Kanäle deutlich einschränken, erklärte der Youtube-Sprecher. „Als Reaktion auf eine Anfrage der Regierung haben wir den Zugang zu RT und einer Reihe anderer Kanäle in der Ukraine eingeschränkt. Wir werden die neuen Entwicklungen weiter beobachten und möglicherweise weitere Maßnahmen ergreifen.“
Mit den aktuellen Maßnahmen werden sämtliche RT-Kanäle weltweit von den Youtube-Werbeeinnahmen abgeklemmt. „Unsere Teams arbeiten auch daran, Inhalte, die gegen unsere Richtlinien verstoßen, schnell zu entfernen“, sagte ein Sprecher. In den vergangenen Tagen habe man „Hunderte von Kanälen und Tausende von Videos entfernt, darunter eine Reihe von Kanälen wegen koordinierter betrügerischer Praktiken“.
Vor dem Hintergrund lauter werdender Forderungen Kiews nach mehr militärischer Unterstützung und schärferen Sanktionen gegen Russland treffen sich die EU-Außenminister am Sonntag zu einer Videokonferenz. Brüsseler Diplomaten zufolge sollen die Beratungen über den Angriff Russlands auf die Ukraine um 18.00 Uhr beginnen.
Die Außenministerinnen und Außenminister der 27-EU-Staaten könnten über weitere Sanktionen gegen Russland diskutieren, nachdem Deutschland im Streit um einen Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift offenbar eingelenkt hat.
Bei Protesten gegen die russische Invasion in der Ukraine sind in Russland nach Angaben von Bürgerrechtlern bereits mehr als 3000 Menschen festgenommen worden. Seit Donnerstag habe es mindestens 3052 Festnahmen bei Anti-Kriegs-Demonstrationen gegeben, erklärte die Nichtregierungsorganisation OVD-info am Samstagabend. Allein am Samstag wurden demnach mindestens 467 Demonstranten abgeführt. Trotz eines strikten Demonstrationsverbots gehen seit Tagen immer wieder Menschen in Russland aus Protest gegen die Invasion auf die Straße.
Die russischen Behörden gehen strikt gegen jegliche Kritik an der von Präsident Wladimir Putin befohlenen Invasion vor. Die Medienaufsicht Roskomnadsor untersagte am Samstag einheimischen Medien die Charakterisierung des Großangriffs auf die Ukraine als „Angriff“, „Invasion“ oder „Kriegserklärung“. Derartige Begriffe sollten aus ihren Berichten gelöscht werden, ebenso wie alle Hinweise auf von den russischen Streitkräften in der Ukraine getöteten Zivilisten.
Der UN-Sicherheitsrat soll am Sonntag zum vierten Mal innerhalb einer Woche zu einer Dringlichkeitssitzung wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zusammenkommen. Das Treffen des mächtigsten UN-Gremiums wird nach Angaben von Diplomaten um 15 Uhr (Ortszeit) stattfinden und hat einen förmlichen Zweck: Der Rat wird darüber abstimmen, ob eine am Freitag von Russland blockierte Resolution, die sich gegen Moskaus Einmarsch richtet, an die Vollversammlung der Vereinten Nationen überstellt werden soll. Bei dieser sogenannten prozeduralen Abstimmung müssen 9 der 15 Mitglieder zustimmen – Vetos gibt es dabei nicht, weshalb die Annahme als sicher gilt.
Die Erklärung soll den Angaben zufolge wohl schon am Montag in die Vollversammlung eingebracht werden, wo alle 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen abstimmen können und eine einfache Mehrheit zur Annahme reicht. Westliche Staaten um die USA hoffen auf eine breite Zustimmung, um eine globale Isolation Russlands sichtbar zu machen und damit den Druck auf Moskau zu erhöhen. Eine Annahme in der Vollversammlung ist allerdings anders als im Sicherheitsrat nicht völkerrechtlich bindend und hat eher eine symbolische Bedeutung.
Der Resolutionstext, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, verurteilt Russlands Aggression „aufs Schärfste“ und bekräftigt die Souveränität und territoriale Integrität sowie die Unabhängigkeit und Einheit der Ukraine. Von Russland wird darin der sofortige Rückzug sowie die Rückkehr zum Minsker Abkommen verlangt. In dem Text – der unter Federführung der USA entstand – heißt es, der Rat möge beschließen, „dass die Russische Föderation ihre Streitkräfte unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen abzieht“.
Die Lage in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko „kompliziert und angespannt“. „Die Nacht wird schwierig“, schrieb er am Samstagabend im Nachrichtenkanal Telegram mit Blick auf einen drohenden Angriff russischer Truppen. „Der Feind ist nicht in die Stadt eingedrungen, aber in Kiew operieren Sabotagegruppen.“ Das Militär und die Strafverfolgungsbehörden würden „Saboteure neutralisieren“. Darunter wird in der Regel verstanden, dass Menschen getötet werden.
Russland beschieße auch Wohnviertel in der Hauptstadt, behauptete Klitschko. Das ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Moskau dementiert vehement, ukrainische Zivilisten anzugreifen. Klitschko hingegen sagte, seit Beginn des Angriffs seien in Kiew bereits sechs Zivilisten getötet worden, darunter ein Kind. Zudem seien 71 Menschen verletzt worden. In der Millionenstadt gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Wer sich trotzdem auf der Straße ohne Sonderausweis aufhalte, gelte als „Mitglied feindlicher Sabotage- und Aufklärungsgruppen“, so Klitschko.
Eine für Samstagabend geplante Videokonferenz mit US-Präsident Joe Biden sowie Staats- und Regierungschefs führender EU-Staaten ist kurzfristig abgesagt worden. Grund sei, dass einer der Teilnehmer an seinem Aufenthaltsort keine sichere Kommunikationsverbindung habe herstellen können, hieß es am Samstagabend aus Teilnehmerkreisen. Die vorgesehenen Absprachen zu neuen Russland-Sanktionen sollten nun schriftlich erfolgen. Ankündigungen dazu seien am späten Abend oder in der Nacht zum Sonntag zu erwarten. An den Verhandlungen seien neben den USA Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien sowie EU-Vertreter beteiligt.