F.A.Z.-Korrespondent Gerhard Gnauck berichtet live aus Kiew: Im Herzen der ukrainischen Hauptstadt, in der Nähe des Maidan, des Platzes der Unabhängigkeit, heulte am Morgen gegen sieben Uhr eine Sirene. Ein Kollege will in der Nacht entfernte Explosionen gehört haben. Später war eine kurze Lautsprecherdurchsage zu hören, in der mehrfach das Wort „Bombenschutzraum“ zu verstehen war. Um neun Uhr ertönte, wie schon in den vergangenen Tagen, die Nationalhymne.
Auf den Straßen sind wenige Fußgänger, wenige Autos. Viele Kioske haben geschlossen. Die Metro bietet heute wegen des Krieges freie Fahrt, doch nur wenige kommen. Wann wird die Metro, wie angekündigt, zum Bunker umfunktioniert? „Keine Ahnung, wir rennen selbst herum und suchen nach Informationen“, sagt die Kartenverkäuferin. „Wir warten auf Weisungen von oben“, sagt ein Polizist. Vor einem Geldautomaten steht eine kleine Schlange.
In der Lobby des Hotels Ukraina am Maidan herrscht reges Kommen und Gehen. Unklar ist, ob mehr Leute an- oder abreisen. Eine junge Frau hat gerade eingecheckt, sie musste eine Dienstreise nach Dnipro abbrechen. „Ich will in meine Heimatstadt Odessa“, sagt sie. Aber offenbar fahren keine Züge mehr, heißt es. Wie will sie dort hinkommen, über Hunderte von Kilometern? Sie schweigt, sie erstarrt. Dann bricht sie in Tränen aus.
Raus aus der Stadt: Stau in Kiew nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine (Quelle: EPA)
„Dies ist eine vorsätzliche, kaltblütige und von langer Hand geplante Invasion“NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg